Menü

Art de Bille, die Kunst der Bälle

„Art de Bille“ kommt aus dem französischen und heißt frei übersetzt „Kunst der Bälle“. Anders herum „Bille de Art“ – „Ballkunst“, heute auch als „Billard“ bekannt. Dass zwischen “Bille“ und „Art“ einmal noch etwas gewesen sein muss, daran erinnert die englische Schreibweise „Billiard“ und die deutsche Aussprache „Billjard“. Nun also, liebe „Ballkünstler“, wir möchten Euch auf eine kleine historische Reise rund ums Billard einladen. Eines aber noch vorweg, es gibt leider nur sehr wenig historisch belegte Hinweise auf Billard, deshalb freuen wir uns über jeden Hinweis und jeden Beleg in Bezug auf die Geschichte dieses faszinierenden Spiels.


Angefangen hat wohl alles mit der sich zu Tode langweilenden Aristokratie. Würfel- und Kartenspiele erfreuten sich großer Beliebtheit. Um nun aber gegen die fortschreitente Leibesfülle etwas zu tun, spielte man bei schönem Wetter an der frischen Luft auf Rasen. Spiele wie Cricket, Croquet, Golf bzw. Minigolf oder auch Bowls waren weit verbreitet. Vermutlich bei schlechtem Wetter kam man dann auf die Idee, sich diese Spiele ins Haus zu holen. Erst auf dem Fußboden auf Teppichen, später auf Tischen und Tüchern. Am Anfang noch ohne Banden aber mit Hindernissen und Fallgruben, also eine Art „Tischminigolf“. Damals spielte man noch mit dem „dicken Ende“. Da aber die Kugeln, meist Bälle genannt, öfter mal den Tisch verließen und sich dann auch noch unter schweren Eichenholzmöbeln versteckten, baute man kurzer Hand einen Rahmen um den Tisch. Diesen Rahmen polsterte man später mit Pferdehaar und umspannte dieses mit Leder, so dass die Bälle ins Spiel zurück finden konnten. Die „Bande“ war geboren!

Billard-Krausse Chemnitz - Die Kunst der Bälle, frz. Art de Bille
Art de Bille: vom aristokratischen Zeitvertreib zum Volkssport

Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts begann man, Rotationseffekte an den Banden zu beobachten. So dauerte es nicht lange und man drehte den Stock, belederte das dünne Ende und versetzte die Bälle bewusst in Rotation, man sagt heute auch Effet dazu. Somit war nun auch das „Queue“ entwickelt. Im Zuge der französischen Revolution beseitigte man alle Hindernisse und Fallgruben von der Spielfläche und spielte so genannte „Begegnungsbälle“, auf französisch „Carambolagen“. Parallel  dazu entwickelte sich das englische Lochbillard, wobei man auch dort ohne Hindernisse spielte, verlegte aber die Fallgruben in die Ecken und an den mittleren Rand der langen Banden. Das französische Carambolagespiel breitete sich ostwärts in Europa aus und das englische Lochbillard entwickelte sich in den östlichen Kolonien, wo Platz keine Rolle spielte zum Snooker  und in den bald abtrünnigen westlichen Kolonien, zum amerikanischen Poolbillard weiter.

 

Mit der industriellen Revolution standen neue Technologien und Materialien zur Verfügung. 1835 stellte Thurston erstmals eine Gummibande vor. Jedoch war dieses Material noch sehr temperaturempfindlich. Erst mit dem Patent von Charles Goodyear von 1839 konnte der Gummi durch Vulkanisieren berechenbare Bandenabschläge hervorbringen. Seit dieser Zeit existiert Billard, so wie wir es heute kennen. Schnell erkannte man das monetäre Potential des Billardspiels. Längst nicht mehr nur dem Adel vorbehalten, wurde Billard vom Bürgertum und einer wachsenden Mittelschicht entdeckt. Nicht selten wurden die Geschicke der Bürger vom Ortsvorsteher, Arzt, Apotheker, Handwerker und Feuerwehrhauptmann am „grünen Tisch“ besprochen. Bereits um 1850 gab es erste Formen von Spielerorganisationen. Der uns älteste bekannte urkundlich erwähnte Billardverein, ist der SV Pretzschendorf 1878. Zu dieser Zeit stellte man in Deutschland wieder Hindernisse auf die Spielfläche. Es handelte sich um fünf Holzkegel, welche zentral in einem bestimmten Kegelbild aufgestellt wurden. Da beim Kegelbillard die Banden eine Hauptrolle spielen, konnte es erst ab ca. 1840 entstehen.

 

Kegelbillard fand in Sachsen, Brandenburg, Schlesien und Böhmen sehr schnell große Verbreitung. Allerdings nannte man das Billardspiel zu dieser Zeit in Deutschland „Boul“. Dieser Begriff hat sich bis heute in einigen ländlichen Gegenden erhalten. Auch spielte man auf dem Lande weniger um Urkunden und Pokale, als viel mehr um einen Eimer Bier oder so manch Getier. So war der Hauptpreis für den jährlich zu ermittelnden „Boulmeister“ einer bestimmten Region nicht selten ein Ziegenbock, Schaf oder Ferkel. Bald entdeckte auch die aufstrebende Arbeiterklasse das Billardspiel und Billard schickte sich an, Volkssport zu werden. Allein in der Gründerzeit existierten an die zehn Billardfabriken in Sachsen. Bis zum ersten Weltkrieg stand nahezu in jedem Gasthaus, in jedem Hotel und jeder Wirtschaft ein Billard. Leider verhinderten der erste Weltkrieg, die folgende Rezession und Weltwirtschaftskriese sowie der folgende zweite Weltkrieg  eine weitere Entfaltung des Billards zumindest in Deutschland. Nach der Teilung Deutschlands  spielte man im Westen Carambolage oder auch zunehmend Pool, das die Amerikaner mitbrachten. Im Osten hatte sich in Thüringen und Sachsen–Anhalt, den westlichen Teilen Sachsens und Brandenburgs ebenfalls Carambolage durchgesetzt, wohingegen man im Osten Sachsens und Brandenburgs Kegelbillard spielte.